Vorrangige derzeitige Ziele

 

 

"Was ist es in mir, das denkt, und wie arbeitet es?" Diese Fragen beschäftigen mich seit dem Ende meines Hochschulstudiums. Eine erste Antwort erarbeitete ich in den folgenden Jahrzehnten.

 

Im Februar 1979 trug ich auf dem 4th Workshop on Artificial Intelligence als Theorie eine Naturwissenschaftliche Interpretation Psychischer Phänomene vor. http://www.stefan-puetter.de .Die sehr intensive, emotionale Diskussion dauerte bis in die Nacht. Angefragt wurde unter anderem, was Thema und Ziel meines Referats mit Artificial Intelligence, dem Thema der Tagung, zu tun haben. Mein Hinweis, hier drehe es sich um eine der Kernfragen der Künstlichen Intelligenzwar in der damaligen Zeit  nicht leicht vermittelbar.

 

Meine Theorie war, als ich sie vortrug, bereits so konkret, dass eine Patentanmeldung (Patente und Anmeldungen, Nr. 2)   daraus abgeleitet werden konnte. Sie basiert wesentlich auf Aussagen der Psychologie. Magnetresonanztomographie (MRT) und darauf aufbauende Techniken gab es noch nicht. Neurologisches Wissen über Bedeutung und Funktion von Gehirnarealen wurde vor allem aus den Folgen von Verletzungen oder Krankheiten gewonnen. Verbindungen meiner Überlegungen mit Aussagen der Neurologie waren in dieser Situation nur mit großen Schwierigkeiten herstellbar. Sehr unterstützt hat mich das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, das mir vor allem auch Hinweise auf aktuelle neurologische Literatur vermittelte.

 

Für Dritte war meine Theorie zunächst fremd und zu abstrakt. Daher konzipierte ich ein Modell, das Künstliche Wesen (KW). Dessen Konzept stellte ich zwar noch fertig, aber die Realisierung konnte ich nicht mehr zum Abschluss bringen. Normale Fragen des Überlebens (Stellenwechsel, Hausbau) ließen mir kaum Zeit für private wissenschaftliche Arbeiten.

 

In den Folgejahren wurden dann der Neurologie völlig neue Techniken zur Verfügung gestellt, deren Möglichkeiten sie zunächst entdecken und entwickeln musste.

 

Heute, im Jahr 2014, deutet sich für die Neurologie eine explosive Entwicklung an. Extreme Beispiele für heutige wissenschaftliche Ziele der Neurologie bietet das jetzt beginnende und auf eine Dauer von 10 Jahren angelegte ”Human Brain Project”. Zu diesem Projekt gehören unter anderem zwei Vorhaben mit dem Ziel, das menschliche Gehirn im Detail nachzubilden. Die Nachbildung soll bis zu der Ebene der Zellen und Nervenfasern  gehen. Die beiden Vorhaben unterscheiden sich im gewählten technischen Weg. Das eine Vorhaben will die Nachbildung durch Simulation von Neuronennetzen auf Digitalrechnern erreichen.Bei dem anderen Vorhaben steht die Emulation neuronaler Prozesse im Zentrum. (Emulation bedeutet, dass die einzelnen Neuronen physikalisch modellhaft nachgebildet werden.)

 

Beide Vorhaben wollen durch zunehmende Detaillierung und durch Vergrößerung der Zahl der berücksichtigten Neuronen das Ziel einer Nachbildung des gesamten Gehirns in allen Details erreichen. Insoweit verfolgen beide eine Bottom-up-Strategie. Der Weg bis zu dem gemeinsamen Ziel ist aber noch sehr weit, und die notwendigen technischen Hilfsmittel müssen teilweise erst geschaffen werden.

 

Ziel dieser Projekte ist also die Nachbildung, ist der Nachbau. Wesentliches Ziel sollte aber gleichzeitig das Verstehen sein, das Verstehen geistiger Prozesse, das Verstehen psychischer Phänomene.

 

Der Neurowissenschaftler Eric Kandel, Nobelpreisträger des Jahres 2000, spricht in einem Buchtitel von der „Entstehung einer neuen Biologie des Geistes“ (Kandel, Eric; Im Bann des Gedächtnisses: Die Entstehung einer neuen Biologie des Geistes. Picus, Wien 2009). „Den menschlichen Geist aus biologischer Sicht zu erklären, hat sich im 21. Jahrhundert zu einer der wichtigsten Aufgaben der Naturwissenschaft entwickelt. Wir möchten uns gerne selbst verstehen, indem wir die biologischen Grundlagen von Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis, Denken, Bewusstsein und die Grenzen des freien Willens erforschen“ (S. 18). Wir müssen herausfinden, „wie die verschiedenen Funktionssysteme von Neuronen zusammenarbeiten, um höhere geistige Prozesse zu ermöglichen“ (S. 42).

 

Eine erste Antwort gibt meine im Februar 1979 vorgelegte Theorie. Sie basiert auf heute in gleicher Weise gültigen psychologischen Elementaraussagen, die für die Theorie logisch abstrakt formuliert werden. Die Summe der Elementaraussagen wird dann mit Hilfe einer zentralen Funktionseinheit zusammengefasst, dem „Gedankenträger“. Bewusst wurde dieser neue Begriff Gedankenträger eingeführt, um in der damaligen Zeit keine räumlichen oder neuronalen Zuordnungen vorzunehmen, die zu spekulativ gewesen wären. Hergestellt wurden aber – entsprechend der Zielrichtung der Theorie – die Verbindungen zwischen dem Gedankenträger und wesentlichen Phänomenen der Psychologie. Begriffe wie Es, Triebe, Gefühle, Bewusstsein, Ich und Über-Ich oder auch Gedanke und Inhalt eines Gedankens werden einer informationswissenschaftlichen Bearbeitung zugänglich gemacht.

 

Die Theorie zeigt, zu welchen informationswissenschaftlichen Aussagen man kommt, wenn man den Versuch unternimmt, die psychischen Phänomene naturwissenschaftlich zu erklären. Sie ist damit eine naturwissenschaftliche Theorie psychischer Phänomene.

 

Entsprechend dem Fortschreiten der Erkenntnisse auf den Gebieten Psychologie und Neurologie kann die Theorie konkretisiert und erweitert werden. Damit bietet sie die Ausgangsbasis für eine Top-down-Strategie zur Erklärung unserer geistigen Prozesse.  Bereits heute ist sie so detailliert und umfassend, dass aus ihr eine Patentanmeldung abgeleitet und das Modell eines denkenden Wesens konzipiert werden konnte.

 

Selbstverständliche Forderung an das Human Brain Project sollte als Ziel unter anderem dessen Anbindung an psychologisches Wissen sein. Die Endstrecke des Bottom-up-Weges dahin könnte von der Psychologie als Top-down-Konzept erarbeitet werden. Damit kann die Möglichkeit eröffnet werden, auch umfangreiche psychologische Projekte als Teile des Human Brain Projects durchzuführen.

 

Als Ausgangsbasis einerTop-down-Strategie wäre meine Theorie eine natürliche Ergänzung zu Vorhaben im Rahmen des Human Brain Projects, soweit diese Bottom-up-Strategien verfolgen. Die im Jahr 1979 veröffentlichte Theorie enthält bereits konkrete Hinweise und Fragen nach weiteren Erkenntnissen – Fragen, die zur damaligen Zeit noch unbearbeitet bleiben mussten. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten und dem Rückhalt durch das Human Brain Project können auf diesem Feld wesentliche neue Erkenntnisse gewonnen werden.